Offener Brief zu den gravierenden Folgen der 2Gplus-Regel für den Vereinssport

von Heiner Weidler

Bereits am 24. November hatte Joachim Bittorf, 2. Vorsitzender des SCU und Abteilungsleiter der SCU-Tischtennisabteilung, einen Brandbrief an den Bayerischen Innenminister Joachim Herrmann gesandt. Er machte darin auf die verheerenden Auswirkungen der über Nacht eingeführten 2Gplus-Regel auf den Amateursport aufmerksam, die einen zwingenden Test für alle Beteiligten vorsah und sich in der Praxis als Lockdown für Geimpfte in Sportvereinen erwies: Fast alle Amateurverbände inklusive vieler Vereine mussten die Wettbewerbe und die Trainingsangebote unterbrechen, insbesondere die Jugendarbeit kam zum Erliegen, da das „plus“ in keinerlei Weise umsetzbar war.

Da in den beiden folgenden Wochen keine Reaktion erfolgte, präzisierte Joachim Bittorf zusammen mit seiner Frau Saskia (Gesellschafterin & Mitinhaberin des MVZ Erlangen) am 8.12.2021 in einem weiteren offenen Brief an das Innenministerium und die Mitglieder des Landtags noch einmal die gravierenden Folgen für den Vereinssport im Allgemeinen und für Kinder und Jugendliche im Besonderen. (Die wesentlichen Aussagen dieses Briefs sind am Ende des Beitrags zusammengefasst.)

Am 14.12. wurden dann von der Bayerischen Staatsregierung tatsächlich einige Erleichterungen für den Vereinssport beschlossen, z.B. konnten in der Folge „Geboosterte“ auf den Testnachweis verzichten – eine vor allem für das Training im Erwachsenensport sehr hilfreiche Maßnahme.

Im Interesse von Kindern und Jugendlichen noch einmal nachgelegt
Die zu der Zeit noch geltenden Ausnahmeregelungen für Jugendliche wurden dagegen nur bis zum 12. Januar 2022 verlängert. Danach wäre die Kinder- und Jugendarbeit in den Vereinen auf unbestimmte Zeit völlig zum Erliegen gekommen.

Um dieser katastrophalen Aussicht gegenzusteuern, wandte sich Bittorf nochmals mit zwei weiteren Schreiben an alle maßgeblichen Politiker und an den Petitionsausschuss für Gesundheit und Pflege des Bayerischen Landtages. Unter dem Titel „Der größte Schatz eines Volkes sind seine Kinder! Bitte nehmen Sie sich nun der Verantwortung an, bevor es zu spät ist!“ warnte er noch einmal eindringlich vor den gesundheitlichen und seelischen Schäden, wenn Kindern und Jugendlichen der Zugang zu Bildung, Kultur, Sport und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens erneut verwehrt würde.

Anlass der ersten Petition mit ca. 80 Unterzeichnern, die Bittorf am 20. Dezember 2021 einreichte, war die Verschärfung ab dem 24.Dezember 2021, aufgrund der alle Kinder ab 6 Jahren bei Benutzung des ÖPNV einen negativen Test vorweisen sollten. Am 30. Dezember präzisierte und erweiterte er sein Anliegen nochmals, diesmal unterstützt von ca. 120 Mitunterzeichnenden.

Über diese Petitionen berichteten auch die Erlanger Nachrichten in ihrer Ausgabe vom 4.1. 2022: Plädoyer für die soziale Teilhabe von Kindern (pdf-Download)

 

Und hier die wesentlichen Aussagen des Briefs an das Bayerische Innenministerium und den Landtag

Sehr geehrter Herr Innenminister Herrmann, sehr geehrte Mitglieder des Bayerischen Landtages,

Die 2Gplus-Regel ist nach 2020 ein weiterer harter Lockdown für die Sportvereine und bedeutet zugleich – verglichen mit den Betrieben – zahlreiche Insolvenzen, deren Gründe wir hier aufführen werden. Fast alle Amateurverbände inklusive vieler Vereine haben die Wettbewerbe und die Trainingsangebote unterbrochen, da das „plus“ in keinerlei Weise umsetzbar ist.

– Es fehlt an allen Ecken und Enden an Schnelltests und zeitnahen Terminen in den Apotheken, um der regelmäßigen Sportausübung nachgehen zu können. Wie sollen die Vereine das finanziell und hinsichtlich der Nachweispflicht stemmen? Sollte es laut regionalem MdB Walter Nussel als Bürokratieabbau-Beauftragten nicht eher eine Abnahme der Bürokratie als Zunahme geben?

– Zahlreiche langjährige Verantwortliche in Ehrenämtern stellen ihre so wichtige Arbeit in den Vereinen angesichts 2Gplus nun ein – sie schaffen es einfach kräfte- und zeitmäßig nicht mehr, nach dieser mehr als anstrengenden Zeit mit den sich immer wieder ändernden Hygienekonzepten die zusätzliche Testpflicht zu erfüllen. Anstatt das Ehrenamt zu fördern – was auch oberste Aufgabe des Sportministeriums ist – behindert man die Betroffenen mit dieser Verschärfung auf unzumutbare Weise.

– Jugendtrainer, die mehr denn je dringend benötigt werden, ziehen sich komplett zurück.

– Die zusätzlichen Tests verleiden auch unseren mehrheitlich geimpften Vereinsmitgliedern immer mehr die „Lust auf Sport“. In den letzten Jahren mühevoll zurückgewonnene Mitglieder treten in Scharen wieder aus, weil sie diese ständigen wöchentlichen Änderungen für den Amateursport satthaben und sich mit ihren sportlichen Aktivitäten lieber in den Privatbereich zurückziehen, also z.B. spazieren oder joggen.

– Bei Wettkämpfen ist die 2Gplus-Regel für die aktiven Amateur-Sportler vor allem für Heimspiele in keiner Weise umsetzbar – auch Profispiele wie z.B. in der 3.Tischtennis-Bundesliga hier vor Ort bei der DJK/SpVgg Effeltrich wurden nach Rücksprache mit den gegnerischen Mannschaften abgesetzt.

– Jugendliche, die älter als 12 Jahre und 3 Monate und noch ungeimpft sind, werden ab 01.01.2022 vom Amateursport komplett ausgeschlossen. Wie soll man dann noch – wie ursprünglich geplant – Jugendmannschaften zur Rückrunde melden? Andererseits dürfen Betreiber und Mitarbeiter von körpernahen Dienstleistungen (3G erlaubt bei Physiotherapiepraxis) täglich Patienten behandeln, die 2G sein müssen. Ungeimpfte kontrollieren Geimpfte?

Neben der ohnehin schon gegebenen sozialen Isolation wird die psychische und physische Belastung nochmals verstärkt. Genau das wollte man ja gerade verhindern, wie auf zahlreichen Pressekonferenzen zu vernehmen war und wie Sie es ja auch selbst verkündet hatten. Insbesondere die Kinder und Jugendlichen sind durch die Einschränkungen beim Vereinssport besonders hart betroffen – mit gravierenden Folgen:

– Kinder und Erwachsene nehmen aufgrund der fehlenden sportlichen Tätigkeit immer mehr an Gewicht zu, was wiederum massive gesundheitliche Probleme mit sich bringt und das Gesundheitssystem in erheblichem Maße belasten wird. Mediziner schlagen Alarm, weil der Anteil an übergewichtigen Personen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Jugendlichen stetig steigt. Damit einhergehend steigen auch Herzkreislauferkrankungen, Diabetes und das Schlaganfallrisiko – sogar Krebserkrankungen lassen sich darauf zurückführen, weil Adiposität ein bedeutender Risikofaktor ist.
(siehe: „Rasanter Anstieg der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen“ / COVID-19: Blutdruck der Bevölkerung ist während der Pandemie gestiegen“)

– Die Psychiatrische Kinderklinik ist völlig überlaufen – Kinder benötigen teils dringend eine stationäre Therapie, die aber aufgrund Überlastung nicht gewährleistet werden kann.
(siehe: Drastische Zunahme der Angststörungen / Das stille Leiden der Kinder und Jugendlichen / „Psychische Versorgung von Menschen mit Diabetes und Übergewicht unzureichend“)

– Sämtliche Schulfeste, informative Ausflüge, Schulfahrten, Schullandheime, Notenübergaben, Skilager, Abschlussfahrten wurden den Kindern und Jugendlichen „geraubt“. Die sozialen kommunikativen Events wurden für den Klassenverband untersagt.

Die Prophylaxe von physischen und psychischen Leiden bleibt komplett auf der Strecke. Ist das Ihnen und Ihren Kollegen/innen aus dem Bayerischen Landtag wirklich bewusst? Oder ist hier der Kontakt zur Basis schon längst verloren gegangen, wie mir auch aus dem Bay. LT von wichtigen Mandatsträgern selbst leider schon bestätigt wurde?
(siehe „Ein Armutszeugnis, wie man mit Kindern in Deutschland umgeht)


In vielerlei Hinsicht wird durch die neuerliche Verschärfung mit zweierlei Maß gemessen:

– Warum dürfen schulpflichtige ungeimpfte Kinder und Jugendliche (>12 Jahre und 3 Monate), die sich dreimal die Woche in der Schule testen lassen, dann aber trotzdem ab 01.01.2022 nicht mehr nachmittags in Sportvereinen am Training und an Wettkämpfen teilnehmen?

– Warum reichen in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens, wo Menschen stundenlang ohne Mundschutz durchaus in engen Räumen miteinander zusammensitzen, stehen oder gar Hautkontakt haben, 2G oder gar 3G aus, während bei der sportlichen Tätigkeit in geräumigen Sporthallen 2Gplus verlangt wird?

Anders als in diesen Bereichen kommt man sich bei den gängigen Sportarten – wenn überhaupt – meist nur für einen kurzen Moment nahe. Außerdem hat man sich in den Vereinen intensivst in Arbeitsgruppen mit der praxisgerechten Ausgestaltung ausgefeilter Hygienekonzepte beschäftigt, um die sportliche Ausübung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu gewährleisten. Eigens ernannte ehrenamtliche Corona-Beauftragte sorgen fast durchgängig seit 20 Monaten dafür, dass die strikten Hygienekonzepte auch eingehalten werden.

Die wenigsten Politiker auf oberster Ebene dürften sich die Hygienekonzepte der Verbände oder der Sportvereine mal angeschaut haben; denn dann wüssten sie, wo im Vergleich zum Vereinssport das mit großer Sicherheit höhere Ansteckungsrisiko liegt bzw. welche teils dramatischen Auswirkungen es auf das körperliche Wohlbefinden und die Entwicklung der Gesundheit hat, wenn die sportliche Betätigung in Vereinen trotz strikter Einhaltung aller Regeln massivst beeinträchtigt oder verboten wird.

Hier drängt sich der Verdacht auf, dass von Ehrenamtlichen geleitete Sportvereine einfach nicht dieselbe politische Unterstützung und Wertschätzung genießen, wie sie anderen Bereichen des täglichen Lebens gewährt wird. Und das, obwohl die „Nebenwirkungen“ nicht ausgeübten Sports vor allem bei Kindern und Jugendlichen psychisch und körperlich um ein Vielfaches schlimmer sind – mit dramatischen Folgen; dafür sollte natürlich auch jeder Politiker verantwortlich gemacht werden, wie bereits ausführlich geschildert.

Des Weiteren fehlt es nicht nur an den bestellten Impfstoffen in Impfzentren, bei Hausärzten und Praxen, sondern auch noch an der vorhandenen Kapazität und Beschaffung von Testmöglichkeiten und Testmaterial in Testzentren, Apotheken und Drogerien – und das schon seit Wochen. Man kann und darf als führender Politiker nicht Maßstäbe an andere anlegen, die in keinerlei Weise in der Praxis umsetzbar und auch vertretbar sind.

Sehr geehrter Herr Innenminister Herrmann, die o.g. Punkte dürften für Sie als Mann der Basis und des Sports nicht Neues und damit vollkommen nachvollziehbar sein, sodass wir als Sportvereine Sie als Sportminister und Ihre Kabinettsmitglieder und Kollegen/innen des Landtages zur Durchführung folgender Änderungen und Maßnahmen spätestens ab 01.01.2022 auffordern:

I) Abschaffung der 2Gplus-Regelung für den Amateursport, d.h. keine Testverpflichtung für Training und Wettkämpfe sowohl indoor als auch outdoor, d.h. Streichung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 der 15. Bay. IfSMV für Sportstätten, sodass die Wiederaufnahme der Sportangebote gewährleistet werden kann.

II) Ungeimpfte, schulpflichtige Kinder und Jugendliche dürfen aufgrund der regelmäßigen Schultestungen auch weiterhin bis zum Ende des 17. Lebensjahrs an sportlichen Wettkämpfen und Trainingsangeboten in Sportvereinen teilnehmen.

III) Ebenso sollte das BOOSTERN – so wie in anderen Bundesländern auch – 2Gplus ersetzen, auch wenn es im Kabinett zunächst abgelehnt wurde. Die Entscheidung, die 2Gplus-Regelung auf den bayrischen Skipisten auszusetzen, war schon ein Schritt in die richtige Richtung.

Bei möglichen Rückfragen stehen wir Ihnen sehr gerne natürlich wie immer – auch persönlich – zur Verfügung.
Vielen Dank im Namen der 4.293.630 offiziellen BLSV-Mitglieder und 11.720 Sportvereine Bayerns sowie aller Kinder und Jugendlichen!

Herzliche Grüße aus Uttenreuth
Ihr Joachim Bittorf und Ihre Dr. med. Saskia Bittorf (Gesellschafterin & Mitinhaberin des MVZ Erlangen, Allee am Röthelheimpark 5, 91052 Erlangen)

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